NDC Report: Ethisch geförderte Diamanten?

NDC Report: Ethisch geförderte Diamanten?

Der NDC Report räumt nicht nur mit den Mythen über Labordiamanten auf, wie es zuvor angekündigt wurde, sondern stellt auch Minendiamanten in einem äußerst positiven Licht dar. Es werden verschiedenste Punkte aufgegriffen, in denen Minendiamanten in den letzten Jahren immer wieder kritisiert wurden, und diese werden dann vom NDC widerlegt. Ein häufig vorgebrachter Kritikpunkt ist, dass Minenbau unethisch ist, dass dadurch Konflikte finanziert werden und dass es zu wenig unabhängige Kontrollen der Arbeitsbedingungen gibt. Diesem Thema hat der NDC Report das Kapitel “How are natural diamonds ethically sourced?” gewidmet. In diesem Abschnitt des Reports erläutert das NDC, durch welche Kontrollmechanismen gewährleistet wird, dass die natürlichen Diamanten der NDC Mitglieder nach ethischen Standards gefördert werden. DIAVON hat zu diesen Kontrollmechanismen nochmal genauer recherchiert, mit dem Ergebnis, dass es durchaus einige Schwachstellen gibt und möglicherweise nicht alles so ethisch einwandfrei abläuft, wie vom NDC dargestellt.


Der NDC Report sagt, es sei sehr wichtig dafür zu sorgen, dass Diamanten unter ethischen Bedingungen gefördert werden. Dazu gehören die Einhaltung von Arbeitsrechten, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, keine Kinderarbeit, das Vorhandensein von Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen sowie eine strenge Unternehmensethik mit Respekt für die einheimischen Bevölkerungsgruppen. Außerdem muss der Handel mit Konfliktdiamanten ausgeschlossen sein. Im Folgenden stellt das NDC drei Kontrollmechanismen vor, durch die all diese Punkte gewährleistet werden sollen: den Kimberley Prozess, das System of Warranties des World Diamond Council und das Zertifikat des Responsible Jewellery Council, welches ebenfalls mit strengen Kontrollen einhergeht. Wir haben uns ein wenig genauer damit beschäftigt, inwieweit diese drei Kontrollinstanzen tatsächlich das leisten können, was der NDC Report verspricht.


Der Kimberley Prozess - Garantie für Konfliktfreiheit?


Der Kimberley Prozess ist ein System, durch das der Handel mit Konfliktdiamanten unterbunden werden soll. In Kraft getreten ist der Kimberley Prozess 2003 als Reaktion darauf, dass der blutige Diamanthandel in den 1990er Jahren immer mehr internationale Aufmerksamkeit erhalten hat. Damals gab es in einigen Ländern Bürgerkriege oder bürgerkriegsähnliche Konflikte, bei denen die Rebellengruppen sich durch den illegalen Diamanthandel finanziert haben und versucht haben, die Regierungen zu stürzen. Alle Länder, die am Kimberley Prozess teilnehmen, dürfen nur Diamanten von anderen Mitgliedstaaten importieren und ebenso nur in Mitgliedsstaaten exportieren. Somit wird gewährleistet, dass alle Diamanten, die ein Kimberley Prozess Zertifikat erhalten, aus konfliktfreien Quellen stammen - jedenfalls in der Theorie.


Die Problematik des Kimberley Prozesses beginnt schon mit der Definition, die seit 20 Jahren gleich ist und nie angepasst wurde. Auf der Homepage wird der Kimberley Prozess (wörtlich übersetzt) folgendermaßen definiert:
“Der Kimberley-Prozess ist ein internationales Zertifizierungssystem, das den Handel mit Rohdiamanten regelt. Es soll den Handel mit Konfliktdiamanten verhindern und gleichzeitig dazu beitragen, den legalen Handel mit Rohdiamanten zu schützen. Das Zertifikationssystem des Kimberley-Prozesses (KPCS) legt die Regeln für den Handel mit Rohdiamanten fest.” (https://www.kimberleyprocess.com/en/faq)

Der Kimberley Prozess reguliert also nur den Handel mit Rohdiamanten. Somit ist es Rebellengruppen aber immer noch möglich, mit Konfliktdiamanten zu handeln, wenn diese grob geschliffen sind oder beispielsweise provisorisch in einem Paar Ohrringe verarbeitet wurden (vgl. Burkhalter 2003 in: Rush & Rozell 2017: 103). Der Kimberley Prozess könnte daher weit effektiver gegen Konfliktdiamanten vorgehen, wenn er sich generell auf alle Diamanten beziehen würde (vgl. Rush & Rozell 2017: 103).


Ein weiteres Problem des Kimberley Prozesses ist die Definition von Konfliktdiamanten, die gemäß der Homepage wie folgt lautet:

“Konfliktdiamanten, auch "Blutdiamanten" genannt, sind Rohdiamanten, die von Rebellenbewegungen oder ihren Verbündeten zur Finanzierung bewaffneter Konflikte verwendet werden, um rechtmäßige Regierungen zu untergraben.”

Damit fallen keine unethisch geförderten Diamanten unter die Definition, solange der Diamanthandel nicht den Umsturz einer legitimen Regierung finanzieren soll (vgl. Henleben 2020: 120). Dadurch sind unterschiedliche Konstellationen möglich, bei denen der Kimberley Prozess in der Realität nicht greift, obwohl dies sinnvoll wäre.

Russische Diamanten gelten beispielsweise offiziell nicht als Konfliktdiamanten. Das russische Unternehmen Alrosa, einer der größten Diamantproduzenten der Welt, ist zwar zu 20% im Besitz der Russischen Föderation, weshalb mutmaßlich die Einnahmen aus dem Diamanthandel auch in den Angriffskrieg gegen die Ukraine fließen. Da aber eine legitime Regierung durch den Diamanthandel finanziert wird, und keine Rebellengruppe, die versucht, diese Regierung zu stürzen, greift der Kimberley Prozess im Falle Russlands nicht.

Ein ähnliches Problem gab es schon im Jahr 2010 mit Zimbabwe, als Robert Mugabe, Präsident des dortigen, zwar korrupten, aber doch rechtmäßigen Regimes, den Handel mit Konfliktdiamanten nutzte, um seine Macht auszubauen und im Amt zu bleiben (vgl. Rush & Rozell 2017: 102). Die Problematik, die sich jetzt mit Russland ergibt, ist also durchaus nicht neu und überraschend für die Teilnehmer des Kimberley Prozess.


Mangelnde Durchsetzung der Richtlinien


Zimbabwe hat außerdem einen Präzedenzfall geschaffen, was die Durchsetzung der Richtlinien des Kimberley Prozess betrifft. Im Zuge der Diamantenförderung hat die Regierung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen, weshalb das Land zunächst vom Kimberley Prozess suspendiert wurde (vgl. Rush & Rozell 2017: 102). Daraufhin drohte Zimbabwe seine Diamanten einfach auf dem illegalen Markt weiterzuverkaufen. In diesem Fall wäre eine Kontrolle und Verhinderung der Menschenrechtsverletzungen endgültig unmöglich geworden und für andere Länder hätte dies die Botschaft vermittelt, dass eine Konformität mit den Richtlinien des Kimberley Prozess nicht notwendig ist, um mit Diamanten handeln zu können (ebd.). Daher durfte Zimbabwe trotz der Menschenrechtsverletzungen weiterhin am Kimberley Prozess teilnehmen und die von dort stammenden Konfliktdiamanten konnten unter einer Fassade der Legitimität weiter gehandelt werden (vgl. Hilson & Clifford 2010: 432).


Schon der Fall Zimbabwe zeigt, dass der Kimberley Prozess bei der Durchsetzung seiner Richtlinien an seine Grenzen kommen kann. Es besteht aber ein generelles Problem, was die Kontrollmechanismen im Kimberley Process Certification Scheme angeht. Darauf deutet auch der Fall Venezuela hin. Venezuela ist ebenfalls Mitglied des Kimberley Prozess, seit 2005 gibt das Land aber keine Statistik bezüglich geförderter Diamanten, Import- und Exportmenge mehr an die Kimberley Prozess Behörden weiter. Offiziell behauptet Venezuela, keine Diamanten mehr zu fördern und den Import und Export eingestellt zu haben. Global Witness berichtet aber, dass Venezuela nach wie vor Diamanten fördert und damit handelt. Vermutlich werden die Steine in Nachbarländer geschmuggelt und dort zertifiziert (vgl. Rush & Rozell 2017: 103). An diesem Beispiel wird ein großes Problem des Kimberley Prozess offensichtlich: es mangelt an zuverlässigen Kontrollen, um sicherzustellen, dass die Diamanten wirklich nach den Richtlinien des Kimberley Prozess gehandelt wurden (ebd.).

Das kommt vor allem daher, dass die teilnehmenden Staaten großteils selbst für die entsprechenden Kontrollen zuständig sind und dabei mehr oder weniger strikt vorgehen können (vgl. Henleben 2020: 121). Der Vollzug von Rechtsvorschriften ist zwar eine Voraussetzung dafür, am Kimberley Prozess teilnehmen zu können, allerdings gibt es kaum Richtlinien, die den Inhalt oder auch die Strenge bestimmen, die die Gesetze der Mitgliedstaaten vorweisen müssen (ebd.).


Alle diese Punkte machen deutlich, dass eine Anpassung der Definitionen sowie eine Umstrukturierung des Kimberley Process Certification Schemes mit unabhängigen Kontrollen notwendig wäre, um den Kimberley Prozess effektiver zu gestalten. Dabei ergibt sich allerdings noch ein Problem: für eine Beschlussfassung ist der Konsens aller 59 Mitgliedsstaaten notwendig; schon durch das Veto eines einzigen Staates kann ein Beschluss blockiert werden (vgl. Henleben 2020: 121). Aufgrund dieser immanenten Ineffektivität ist es äußerst schwierig, Veränderungen zur Steigerung der Effizienz des KPCS durchzusetzen (ebd.).


Das System of Warranties des World Diamond Council (SoW)


Das SoW soll auch Bereiche außerhalb des Kimberley Prozess abdecken. Es erfordert eine Garantieerklärung von professionellen Käufern und Verkäufern auf allen Rechnungen, wann immer ein Diamant, egal ob roh, geschliffen oder schon in einem Schmuckstück verarbeitet, den Besitzer wechselt. Die Richtlinien des SoW regeln auch die Einhaltung von Menschenrechten, von allgemeinen Arbeitnehmerrechten sowie die Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption, so erklärt jedenfalls der NDC Report den Nutzen, den das SoW für die Einhaltung ethischer Standards im Diamanthandel bringt.


Das System of Warranties besteht aus 23 Richtlinien, die in vier Bereiche unterteilt werden können: Umsetzung des Kimberley Process Certification Schemes und Selbstregulierung der Industrie im Rahmen des KPCS, Menschenrechte, Verhinderung von Korruption und Verhinderung von Geldwäsche.


Die ersten 9 Richtlinien widmen sich der Umsetzung des KPCS, hier wird genau festgelegt, von wem WDC Mitglieder Diamanten kaufen dürfen, welche Zertifikate ein Diamant mitbringen muss etc.. Alle Mitglieder sollen diese Richtlinien umsetzen und am Ende dieses ersten Abschnitts steht wörtlich übersetzt: “Die Nichteinhaltung der oben genannten Grundsätze führt zum Ausschluss des Mitglieds aus den Branchenorganisationen.” 


Die nächsten drei Bereiche decken alle ethischen Aspekte ab, die vom Kimberley Prozess nicht berücksichtigt werden. Im Abschnitt Menschenrechte findet sich nur zur Richtlinie 10 nochmals die bindende Formulierung mit “sollen”. Wörtlich übersetzt steht hier, die WDC Mitglieder sollten “ die Menschenrechte achten, was bedeutet, dass sie die Menschenrechte anderer nicht verletzen und gegen negative Auswirkungen auf die Menschenrechte, an denen sie beteiligt sind, vorgehen”. Es folgt allerdings kein Zusatz wie bei den Punkten 1.-9., dass ein Verstoß gegen diese Richtlinie zum Ausschluss aus den Branchenorganisationen führt. Daher ist fraglich, wie die Konsequenzen bei einem Verstoß gegen diese Richtlinie aussehen würden. 

Die Richtlinien 11.-17. widmen sich ebenfalls den Menschenrechten, scheinen aber einen weniger bindenden Charakter zu haben. Hier heißt es in den SoW Guidelines, “WDC members and all other adherents to the SoW are encouraged to…”. Das könnte man übersetzen mit “WDC-Mitglieder und alle anderen Anhänger des SoW werden ermutigt”, “sind aufgefordert” oder “sind angehalten” eben die folgenden Richtlinien einzuhalten. Dieselbe Formulierung findet sich auch in den Abschnitten zur Verhinderung von Geldwäsche und Korruption. Auch hier findet sich kein Zusatz mehr, der darauf hinweist, dass ein Verstoß gegen diese Richtlinien zu einem Ausschluss des Mitglieds aus den Branchenorganisationen führt.


Bei einer näheren Betrachtung der Richtlinien des SoW wird also deutlich, dass vor allem die Richtlinien zur Einhaltung des KPCS und die erste allgemeine Richtlinie zur Einhaltung der Menschenrechte bindenden Charakter haben. Bei den restlichen Richtlinien scheint dies nicht der Fall und es ist auch nicht geregelt, welche Konsequenzen ein Verstoß gegen die Richtlinien 11.-23. nach sich zieht. Daher ist anzuzweifeln, ob das SoW wirklich dazu in der Lage ist, effektiv diejenigen ethischen Standards im Diamanthandel zu garantieren, die der Kimberley Prozess nicht berücksichtigt, wenn die Richtlinien einen solchen unverbindlichen Charakter haben.


Mitgliedschaft im RJC als Garantie für ethisch einwandfreie Diamanten


Als letztes nennt der NDC Report noch das Responsible Jewellery Council als Kontrollinstanz im Diamanthandel. Die Mitglieder des RJC unterliegen strengen Kontrollen, die eine nachhaltige Wertschöpfungskette sowie Regelungen zur Sorgfaltspflicht für Menschenrechte, verantwortungsvolle Beschaffung in Hochrisikogebieten, Arbeitsrechte in Bezug auf Verträge, Löhne, Gesundheit und Sicherheit, Beschwerdeverfahren, Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen garantieren. Interessant ist hierbei, dass scheinbar nur vier der sechs Mitglieder des Natural Diamond Council auch Mitglieder des RJC sind. Bei einer Durchsuchung der Mitgliederdatenbank des RJC können weder Petra Diamonds noch Murowa Diamonds gefunden werden. Selbst wenn das RJC also tatsächlich hohe ethische Standards im Diamanthandel gewährleisten kann, ist das offenbar nur für vier Mitglieder des Natural Diamond Council ein valides Argument.



Unsere Recherche hat ergeben, dass sich im Diamanthandel noch einiges tun muss, damit man wirklich von 100% konfliktfreien und ethisch geförderten Diamanten sprechen kann. Die vielen Kontrollinstanzen zeigen durchaus, dass die Branche an Transparenz und Regulierungen interessiert ist und den Kundinnen und Kunden gewisse Werte garantieren möchte. Wir hoffen, dass das in der Zukunft noch besser umgesetzt werden kann, indem beispielsweise die Rahmenbedingungen des Kimberley Prozess angepasst werden oder eventuell auch das System of Warranties des World Diamond Council verbindlicher gemacht wird und Verstöße klare Konsequenzen nach sich ziehen.





 

Quellenverzeichnis:

Burkhalter, H. (2003). A diamond agreement in the rough. Foreign Policy, 73 (2), 72-73 in: Rush, S. J., & Rozell, E. J. (2017). A Rough Diamond: The Perils of the Kimberley Process.

Henleben, Claire (2020). The Kimberley Process' Legacy: How the 2000 Certification Process for Conflict-Free Diamonds Can Help Solve Contemporary Human Rights Violations Within the Cobalt & Coltan Mining Industries. Loyola University Chicago International Law Review, 16(1), 115-127. 

Hilson, G, and Clifford, M . (2010). A 'Kimberley Protest': Diamond Mining, Export Sanctions, and Poverty in Akwatia, Ghana. African Affairs, 109(436): 431-50. DOI: http://dx.doi.org/adq020 

Rush, S. J., & Rozell, E. J. (2017). A Rough Diamond: The Perils of the Kimberley Process. Archives  of  Business  Research, 5(11), 101-107. DOI: https://doi.org/10.14738/abr.511.3858


Kimberley Process: https://www.kimberleyprocess.com/en/faq. Zuletzt aufgerufen am 01.06.2023.

World Diamond Council: System of Warranties Guidelines, 2nd edition (2020).

 

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